„MAHAGONNY" IST EIN SPASS

Der Regisseur Ulrich Peters und der Bühnenbildner Thomas Dörfler im Gespräch mit der Dramaturgin Susanne Bieler

Als die gemeinsame Arbeit an der Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" begann, waren die Autoren Kurt Weill und Bertolt Brecht noch nicht einmal 30 Jahre alt. Woran merkt man, Ihrer Meinung nach, dass es sich um ein Opernwerk von jungen Theatermachern handelt?

ULRICH PETERS: Die Oper ist wunderbar wild und ungezügelt, einiges ist herrlich unlogisch. Ich denke aber nicht, dass das Brecht und Weill aus Mangel an Erfahrung so passiert ist, sondern dass sie diese Unlogik mit einem unglaublichen Spaß bewusst eingebaut haben. Das Stück enthält viel Verrücktes und Oberflächliches, auf der anderen Seite sind wir in der Probenarbeit auf zahlreiche Sätze gestoßen, die ganz bemerkenswert sind, oder auf solche, die wir nicht immer entschlüsseln konnten. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Brecht und Weill zusammensaßen und sich sagten: „Daran dürfen sich unsere Zuschauer gerne die Zähne ausbeißen und darüber nachdenken, was damit gemeint sein könnte." Das betrifft unter anderem den Schluss, der gerade dadurch, dass man ihn nicht wirklich enträtseln kann, eine besondere Faszination ausübt. Ich finde ihn geradezu visionär, denn in der trampelnden Marschmusik hört man eigentlich schon die Nazi-Aufmärsche. Dadurch zeigen die Autoren, meiner Ansicht nach, was auf den Niedergang einer egoistischen Genuss-Gesellschaft, in der moralische Werte keine Rolle mehr spielen, folgen kann - und in der Historie auf das ausschweifende Leben in den 1920ern auch gefolgt ist.

Das zentrale Thema des Stückes ist für mich der in Mahagonny herrschende Hedonismus, der Genuss bis zum äußersten Exzess, ohne Rücksicht auf die Umwelt und die Mitmenschen. Die Autoren stellen die Frage, wie weit man eigentlich gehen darf. Bertolt Brecht hat durchaus exzessiv gelebt und dürfte sich genau diese Frage immer wieder selbst gestellt haben oder sich und sein Verhalten in Frage gestellt haben - das lese ich zumindest aus seinen Werken heraus, in denen das Thema Hedonismus häufig auftaucht.
Die übersteigerte Genusssucht war aber nicht nur ein Phänomen der späten 20er. „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" ist erschreckend zeitlos. Ich glaube, wir sind uns durchaus bewusst, dass auch wir heutzutage einen Hedonismus leben, der uns und unsere Welt an die Grenze führen kann