APPLAUS: Herr Dr. Peters, Ihre Amtszeit als Intendant des Gärtnerplatztheaters war bestimmt von vielen Klagen. Sie haben über Widerstände am Haus geklagt, über Etatkürzungen und zuletzt darüber, dass Ihr Vertrag nicht verlängert wurde. Sind Sie am Hause nie richtig heimisch geworden?

ULRICH PETERS: Am Hause war ich schon immer heimisch. Ich habe in München studiert und damals bereits das Gärtnerplatztheater geliebt und oft besucht. Auch habe ich mich sehr auf die Arbeit gefreut und mich dabei wohlgefühlt. Die Kürzungen haben mich nicht weiter erschüttert. Damit kann ich umgehen. Das habe ich gelernt. Schlimmer war, dass man von Seiten des Ministeriums behauptete, es gebe keine. Der Bruch erfolgte erst in dem Moment, als man mir zu verstehen gab, meine Arbeit gefalle nicht, man wolle etwas anderes oder was immer. Man hat mir nie gesagt, warum der Vertrag nicht verlängert wurde.

Das Haus wurde in seiner Geschichte immer sehr wechselvoll bespielt. Es war Operettenbühne und 1957 der Ort für die deutsche Erstaufführung von Strawinskys The Rake’s Progress. Die jüngst verstorbene Sängerin Sári Barabás war viele Jahre der Star des Hauses und die Münchener Biennale zeigte hier die Uraufführung von Johannes Mario Stauds Berenice. Sie selbst sagten in einem Interview auch, das Haus habe kein Zielpublikum. Mangelt es dem Haus an Profil?

Es ist schwierig, dem Haus ein Profil zu geben, weil es so viele Zuschauer ansprechen soll. Daraus zogen wir den Schluss, dass unser Ziel nur die Vielfalt sein könne. Als Student ging ich besonders gern in Opern, die man sonst nirgendwo sehen konnte. Daher betrachtete ich das als eine für München spannende Linie. Dann fehlt in München die Operette. Also steht das Haus auch für die klassische große Operette. Und eigentlich fehlt genauso das Musical. Denn was das Deutsche Theater zeigt, ist nicht in dem Sinne Musical, wie wir es umsetzen mit einem Ensemble und mit Themen, die gesellschaftspolitische Relevanz haben. Mir ging es immer darum, zuletzt mit Grand Hotel, Stücke zu finden, die den Nerv der Zeit treffen. Auch La Cage aux folles ist nicht nur eine lustige Schwulennummer, sondern esgeht um die Akzeptanz von Homosexualität in unserer Gesellschaft. Für modernen Tanz gibt es in München keine andere große Kompanie. Also haben wir diese Ecke des modernen Tanzes besetzt. Und ganz wichtig war mir die Vermittlung von Musiktheater an Kinder und Jugendliche. Wir haben das Theater in den vergangenen fünf Jahren extrem geöffnet. Und die Quote von zwanzig Prozent Zuschauern unter 25 Jahren zeigt, was wir erreicht haben.

»Wir machen das, was die ›große Schwester‹ nicht macht«, beschrieben Sie bereits 2009 in einem Interview die Positionierung des Hauses neben der Bayerischen Staatsoper. Was die »große Schwester« nur ganz selten macht, das sind Uraufführungen. Inwieweit hatten Sie in Ihrer Intendantenzeit die Möglichkeit, Kompositionsaufträge zu vergeben?

Wir hatten im Musiktheater zwei Uraufführungen, einen Kompositionsauftrag und Liebe und Eifersucht von E.T.A. Hoffmann. Das Werk schlummerte in der Schublade, weil Hoffmann es nie aufführen durfte. Wir haben das damals mit den Festspielen in Ludwigsburg uraufgeführt. Uraufführungen sind sehr teuer. Man braucht einen Sponsor, weil die Tantiemen viel höher sind, als wenn man ein Stück nachspielt oder etwas aus dem Repertoire nimmt. Auch gibt es für mich nicht sehr viele interessante neue Opern. Lieber grabe ich eine Oper aus.

Wenn Sie jetzt auf Ihre fünfjährige Amtszeit zurückblicken: Was waren aus Ihrer Sicht die Höhepunkte?

Da würde ich die exotischen Opern nennen wie Tod in VenedigUntergang des Hauses Usher, Liebe zu den drei Orangen. Aber auch Das Märchen vom Zaren Saltan hat mir viel Spaß gemacht. In der Operette waren Die Piraten von Penzance von Gilbert und Sullivan, die erstmals in München zu sehen waren, sicher ein Highlight. Die Fledermaus, die ich selbst inszeniert habe, mochte ich sehr und bin stolz darauf. Sie war dreißigmal ausverkauft. Das Ballett Romeo und Julia fand ich einen großartigen Abend. Und auch von den Körpersprachenabenden fand ich einige ganz ausgezeichnet.

Was hätten Sie gerne noch verwirklicht?

Wir hätten gerne noch mehr Barockopern gezeigt. Es gab eine Planung mit der Theaterakademie, dass wir alternierend mit ihr jeweils eine Barockoper inszenieren. bevorzugt von deutschsprachigen Komponisten wie Reinhard Keiser, Johann Sigismund Kusser oder Georg Philipp Telemann. Auf diese Weise wäre ein Zyklus in München entstanden. Gerne hätte ich auch den frühen Verdi-Zyklus fortgeführt. I Masnadieri und Giovanna d’Arco hätten eine Fortsetzung gebraucht, weil sie sehr gut ankamen. Im Bereich des Musicals bestätigte mir der Erfolg von Grand Hotel, dass man in München auch mutig sein kann. Und es gäbe noch eine Menge toller Musicals, die nie in München gespielt wurden. Wir hätten uns mit dem Deutschen Theater ergänzt. Nicht zuletzt hatte ich die Idee, nach der Schließung des Hauses mit Tollwood zusammenzuarbeiten. Wir waren schon weit gediehen mit einem Projekt. Aber das ist alles ad acta gelegt.

Die Umbauphase ist sicher reizvoll aufgrund der verschiedenen Spielorte, die in dieser Zeit bespielt werden können. Hat die Guckkastenbühne ausgedient?

Ich hätte die Umbauspielzeit gerne dazu genutzt, um einmal aus dem Guckkasten herauszukommen. Ich hätte nicht nur im Prinzregententheater oder im Cuvilliés-Theater gespielt und ich wäre auch nicht ins Zelt des Deutschen Theaters gegangen. Ich hätte ganz andere Räume gesucht. Aber meine Ideen stießen im Ministerium auf wenig Gegenliebe. Man braucht für solche Projekte auch einen politischen Willen, weil der Freistaat und die Stadt zusammenarbeiten müssten.

Sie beschließen, Ihre Tätigkeit als Intendant des Hauses mit Verdis Falstaff. »Alles ist Spaß auf Erden«, lauten die Schlussworte des Falstaffs. Soll es doch noch ein versöhnlicher Abgang für Sie werden?

Ich habe diese fünf Jahre sehr genossen. Ich war stolz, hier sein zu dürfen. Und ich gehe ja nicht, weil ich gescheitert bin. Ein Intendant, der eine Platzausnutzung von über achtzig Prozent erreicht und über zwanzig Prozent junge Menschen im Theater hat, ist nicht gescheitert. Ich scheide mit großer Wehmut von meinen Zuschauern, von meinem Ensemble und all denen, die dieses Theater ermöglicht haben. Aber ich bin versöhnlich.

Interview: Ruth Renée Reif