Musikalische Leitung:
Golo Berg
Bühnenbild:
Rifail Ajdarpasic
Kostüme:
Ariane Isabell Unfried:
Dramaturgie:
Ronny Scholz

Don Carlo. Ein Requiem

Oper in 4 Akten
Musik von Giuseppe Verdi
unter Verwendung des "Don Carlos-Requiem"
von Alfred Schnittke

Theater Münster, 7. November 2017

 

Ungewöhnliche Einschübe bereichern Verdi – Oper

Verdis „Don Carlo“ erlebte eine faszinierende Premiere, angereichert mit Fragmenten aus Schnittkes „Requiem“, einer Bühnenmusik zu Schillers Drama „Don Carlos“. Für einen kleinen Teil eds Publikums allerdings erwies sich der Verschnitt unter dem Titel „Don Carlo. Ein Requiem“ als gewöhnungsbedürftig…
Liebe, Hass, Inquisition und Tod sind Zutaten dieser schauerlichen Geschichte, die Münsters Intendant Ulrich Peters dramatisch und spannend auf die Bühne bringt…
Insgesamt versprüht die Inszenierung Atmosphäre. Und der mutige Versuch, eine Oper mit Requiem-Einschüben metaphysisch zu verdichten, verdient Beifall, den das faszinierte Publikum reichlich spendete.
Die Glocke, 9. Oktober 2017

Re­gisseur Ulrich Peters interpretiert die eingefügten Abschnitte, die der von Inna Batyuk einstudier­te Opernchor und Extrachor des Theaters Münster hervorragend übermitteln, als Gedanken Phi­lipps: Angedeutet wird dies durch die sich verändernde Beleuchtung, sobald Schnittkes Musik einsetzt, und dadurch, dass abgesehen vom König alle Figuren erstarren oder die Bühne verlassen. So wird statt der Titelfigur König Philipp II. in den Fokus gerückt und zum Hauptakteur. Wenngleich auch er äußeren Zwängen unterworfen ist und fast als Marionette des Groß­inquisitors erscheint, tut sich da­durch für den Zuschauer ein neuer, interessanter Blickwinkel auf. Und schließlich sind in derDeutung von Peters am Ende der König und der Großinquisitor die einzigen über­lebenden Protagonisten…
… Eine interessante und sehenswerte Inszenierung.
Opernglas 12 / 2017

 

Abgesang auf einen Mächtigen

Die Opernpremiere „Don Carlo. Ein Requiem“ bot ein stimmiges Experiment…
Westfälische Nachrichten, 9. Oktober 2017

 

Macht und Ohnmacht im Horizont des Todes

…Giuseppe Verdi war kein Freund der Kirche. Mit beißendem Hohn kritisierte er klerikale Doppelmoral, mit bitterer Schärfe zerlegte er die politische Rolle des Vatikans in Italien…
Den Zusammenhang zwischen Religion und Politik verlegt Regisseur Ulrich Peters mit einer wagemutigen musikalischen Lösung aus dem direkten Handlungsstrang des Stückes auf eine übergeordnete Meta-Ebene: Peters und sein Dirigent Golo Berg beginnen und beschließen die Oper mit dem „Requiem aeternam“ aus Alfred Schnittkes „Requiem“ (1977), ursprünglich gedacht als Bühnenmusik für eine Aufführung von Schillers „Don Carlos“.
„Din Carlo. Ein Requiem ist folglich der Titel der ambitionierten Münsteraner Aufführung… Das Konzept hat etwas für sich. Wo der Kontext der katholischen Kirche in den Verläufen auf der Bühne einer auf die Psyche Philipps konzentrierten Lösung weichen muss, wird der christliche Glaube auf der Meta-Ebene als Horizont neu eingesetzt…

Der Raum von Rifail Ajdarpasic  ist ein bleiern-zwielichtiger Kasten. Nur von oben oder von außen dringt Licht ein, das hin und wieder grelle Schatten schneidet, nie aber Wärme spendet. Graue Baumstämme streben nach oben, doch sie sind in kaminartigen Schächten gefangen. Ihre Blätter sinf längst verwelkt; sie bedecken einen Todeshügel, schweben hin und wieder verloren von oben herab. Ein Sarg thront im Zentrum des ersten Bildes, ein Schwert steckt wie ein Grabkreuz im Boden. Wenn der König seine brüchige politische Macht entfaltet, steht ein Ledersessel an Stelle des Leichengehäuses. Ein Bild, das die bedrückende Atmosphäre des Stückes lastend depressiv einfängt. Der Tod regiert diese Welt…. Am Ende, wenn alle tot sind, die Philipp etwas bedeuten und er die Leichen mit Herbstblättern bedeckt hat, kehren die Worte des „Requiem“ wieder. Ein berührender, mehrdeutiger Schluß: Einsam schreitet der König aus dem Raum des Geschehens, lässt den statuenhaft erstarrten Großinquisitor zurück…
www.die-tagespost.de  Oktober 2017   

„Herbst-König“ – DON CARLO.EIN REQUIEM – Bedeutsame Premiere der Verdi-Oper im Theater Münster

Herbstlaub lässt König Philipp II. von Spanien am Ende auf die fallen, die er überleben musste, um selbst im Herbst seines Lebens stehend den eigenen Zerfall noch ein wenig aufhalten zu können. Dem neben ihm stehenden Großinquisitor bleibt allein seine nicht von Gott, sondern vielmehr nur durch machtgierige Menschen gegebene Allmacht, die doch nur Ohnmacht so gleich kommt. Und mit einem großartigen Satz von Alfred Schnittkes REQUIEM endet diese finale Szene in Verdis DON CARLO musikalisch fesselnd und auf beeindruckende Art überwältigend. Das Theater Münster hat mit der Zusammenfügung von Verdis DON CARLO und Schnittke REQUIEM ein künstlerisches Wagnis vollzogen. Und es wurde ein bedeutsamer Opernabend. Es wurde DON CARLO.EIN REQUIEM.
(Bericht der Premiere vom 7.10.2017 im Großen Haus, Theater Münster)

Herbst ist allgegenwärtig in dieser Inszenierung von Ulrich Peters. Der Münsteraner Generalintendant übernahm die Regie für Verdis großes Meisterwerk seiner späteren Schaffensperiode. Peters stellt König Philipp in den Mittelpunkt seiner Inszenierung, den er, wie er im Programmheft für diese Inszenierung ausführt, für die bemerkenswerteste Figur der Handlung hält. Ein König, gefangen im eigenen System, geknechtet durch die Römische Kirche und ihrer inhumanen Inquisition, und sich verraten und enttäuscht von den Menschen fühlend, die ihm aus seinem Verständnis heraus nahestehen sollten.
Es ist Herbst. Die Farben auf der Bühne, das Licht, das viele herumliegende und aufgetürmte Herbstlaub, welches auch vereinzelt aber kontinuierlich vom Bühnenhimmel hinunterlallt, signalisieren in dieser Inszenierung den Übergang in die letzte Jahreszeit. Den Winter. Monate der Kälte, die Zeit der kurzen Tage, Nächte die früh beginnen, schlafende Natur und letztlich den Übergang in den Frühling, das große Erwachen. Den Frühling erleben bleibt ein unerfüllbarer Wunsch all jener Menschen, die ihm, dem König von Spanien, vermeintlich nah waren. Er selbst bleibt scheinbar regungslos in seinem royalen Schicksal zurück. Im dauerhaften Herbst, ohne Aussicht auf Frühling.
Das Peters diese Momente der scheinbaren majestätischen Macht mit # Stücken aus Schnittkes genialem REQUIEM musikalisch unterlegt, nein vielmehr im tieferen Sinne deutet, macht diese Münsteraner Premiere zu etwas besonderem. Er hat Verdis DON CARLO nichts genommen, er hat ihm eigentlich nur etwas gegeben. Auch wenn es ein Teil des Publikums nicht so gesehen und erlebt hat. Vielleicht sollte ein weiterer Besuch dieser Inszenierung Anlass dazu sein Fragen und Zweifel zu beantworten und auszuräumen.

Das Bühnenbild von Rifail Ajdarpasic in dominierenden Holz- und Erdtönen, Farben der dritten Jahreszeit und viel Raum und Möglichkeiten für Auftritte und Abgänge, vermittelt die düstere Grundstimmung in diesem Drama auf anschauliche Art. Die dazu gestalteten Kostüme von Ariane Isabell Unfried passten sich, nicht nur im historischen Kontext, der Idee der, bei näherer Betrachtung, sicher' nicht konventionellen Inszenierung kongenial an. Zwar waren an einigen Stellen die Bewegungsabläufe der Protagonisten ein wenig hektisch wirkend, wo sich an anderer Stelle vielleicht als eher zu passiv, ja statisch, zu sehen waren. Aber dies sei auch einer allgemeinen Premierensituation geschuldet, die in erster Linie den Solisten eine Menge abverlangt.
Musikalisch zeigte sich das Theater Münster von einem beachtlichen Niveau.
Opernchor und Extrachor des Theater Münster waren nicht allein schon durch Verdis Partitur sehr gefordert, vielmehr konnte die hohe Qualität des Chores noch durch die Auszüge aus Schnittkes REQUIEM überdeutlich belegt werden. Inna Batyuk, verantwortlich für den Chor und seine Einstudierung, darf sehr zufrieden mit sich und ihren Damen und Herren vom Münsteraner Chor auf diese Leistung schauen. Viel Applaus und Bravorufe vom Publikum waren der verdiente Lohn.
Youn-Seong Shim als Graf Lerma und Kathrin Filip als Gräfin d’Aremberg, als auch Christoph Stegemann, in der Partie des Großinquisitors, fügten sich in ein insgesamt beachtliches Verdiensemble ihren Rollen gemäß adäquat ein.
Filippo Bettoschi sang einen klangschönen Rodrigo (Marquis Posa) und hatte sicher seinen größten Moment in Posas Tod“ im vorletzten Bild. Hier ließ der italienische Bariton seiner Stimme dann auch freien Lauf und machte dies zu einem der besonderen Höhepunkte der Aufführung. Monika Walerowicz als Prinzessin Eboli gestalte diese besondere Mezzosopranrolle mit all ihrem Können und ihrer Erfahrung. Für ihre Interpretation der bekannten Arie „O don fatale“ erntete sie Bravorufe vom Premierenpublikum und wurde auch am Ende der Oper begeistert gefeiert.
Kristi-Anna Isene als unglückliche Elisabeth von Valois, verlieh dieser sehr anspruchsvollen Sopranpartie anrührende Augenblicke und dramatische Höhepunkte. Ihre Arie im letzten Akt der Oper „Tu che le vanitä (conoscesti del mondo)“, immer auch eine besondere Heraus-forderung nach fast 4 Stunden Oper, gestaltete sie ergreifend schön und überzeugend.

Den Infanten von Spanien, Don Carlos, sang in Münster Garrie Davislim mit heldentenoralen Tönen und Durchsetzungsfähigkeit in der Stimme. Er sang ihn kraftvoll, aber dabei auch voller Gefühl und war gesanglich besonders präsent in den Duetten mit Marquis Posa und im zweiten Akt, als er sich gegen seinen Vater, den König, stellt.
Stephan Klemm ist ein großartiger Philipp II. Klemm gestaltete diese Basspartie zum ersten Mal auf der Bühne und es ist ihm gelungen, ein sowohl musikalisches, wie auch darstellerisches, höchst bemerkenswertes Debüt geschafft zu haben. Seine Momente waren jeweils Höhepunkte des Abends. Den Glanzpunkt setzte er mit seiner hinreißend gesungenen Arie „Ella giammai m’amo!“.

Das Sinfonieorchester Münster konnte und durfte, ähnlich dem Chor, seine große Qualität als Klangkörper dank Verdis Partitur und Schnittkes Requiem-Auszügen unter Beweis stellen und wurde für seine besondere Leistung vom Publikum gefeiert. Dirigent und musikalische Leiter des Abends, Münsters GMD Golo Berg, forderte sein Orchester mit großem Erfolg zu zarten, zu beseelten, aber auch dramatischen Momenten und Ausbrüchen heraus und stellte seine große musikalische Beziehung zu Verdi (Berg hat bisher 12 Verdiopern dirigiert) eindrucksvoll unter Beweis.
Fazit: Ein wahrlich bemerkenswerter Opernabend von großer musikalischer Eindringlichkeit. Verdis Partitur unter Hinzufügung von Auszügen aus Schnittkes REQUIEM mag für manche Opernfans gewöhnungsbedürftig sein. Ihnen aber sei die Offenheit zu wünschen, diesen Münsteraner DON CARLO, der ein DON CARLO.EIN REQUIEM ist, in all seiner musikalischen Größe auf- und anzunehmen.

© Dellef Obens/DAS OPERNMAGAZIN/10-2017